Es war ein Schlag ins Gesicht, als Anfang der Neunziger unser blasierter Musiklehrer die waghalsige Behauptung in die Runde warf, die Popmusik habe sich noch nicht etabliert und sei infolgedessen keiner weiteren Betrachtung im Musikunterricht wert. Mit etwas gesundem Menschenverstand hätte ich diese aufgeblasene Knalltüte für diese haarsträubende Fehldiagnose in die Schranken gewiesen. In Ermangelung von plausiblen Gegenargumenten und jugendlicher Feigheit besann sich der sprachlose Autor wie der Rest meiner Schulklasse für betretenes Schweigen und den ignoranten Dozenten in seinen abstrusen Theorien zu bestärken Und so gab es anstelle von Rolling Stones, Jimi Hendrix und David Bowie drei geschlagene Jahre sämtliche grossen Werke der Klassik zu studieren, die Hohe Schule von spiessigem Jazz zu erlernen und als Zugeständnis an die Moderne gab es eine Exkursion in ein Museum über Bluesmusik.

Mit der Wut im Bauch und nach Aufklärung über die Geschichte der Popmusik dürstend, stürmte ich das fachkundige Buchgeschäft meines Vertrauens um mir mit passender Literatur selbst ein Überblick über die vergangenen 40 Jahre Popmusik zu verschaffen. Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuss. Die Autoren mit Popverstand schienen allesamt Gefallen daran zu finden, ein pralles Lexikon mit Fakten zu allen Stars, die irgendwann und irgendwo einmal in den Charts auftauchten. An einem umfassenden Werk über die Popgeschichte wollte sich anscheinend niemand die Finger verbrennen und weil das Internet 1993 gerade in seinen Kinderschuhen steckte, fiel diese Option auch ins Wasser. Wenn schon niemand ein zufriedenstellendes Buch über die Rockgeschichte liefern kann, dann muss ich wohl notgedrungen selbst zur Feder greifen; ein ziemlich hochtrabendes Vorhaben und eher jugendlichem Übermut geschuldet.

Bis ich meinen Plan in die Tat umsetzten sollte, verstrichen noch einmal vier Jahre, ehe ich 1999 anfing, mein aus zweifelhaften Quellen komprimiertes Wissen in Buchformat zu zwängen. So erschien 2006 schliesslich das Buch „More than 40 Years", das schon bald keinen höheren Ansprüchen mehr genügte, schliesslich hatten sich meine musikalischen Präferenzen in den Jahren fortlaufend verändert und einige Thesen in dem Buch schienen mir mittlerweile zu gewagt. Anstatt eine verbesserte Neuauflage nachzuschieben, kam ich zu dem Entschluss, noch einmal ein komplett neues Buch über mehr als 60 Jahre Popgeschichte zu verfassen, das hoffentlich beim interessierten Leser keine Wünsche offen lässt.

Der Autor Jürgen Seifert (Jahrgang 1975) studierte Chemie in Basel und befasst sich seit über 20 Jahren eindringlich mit der Popkultur und gilt als glühender Fan der Musik der Sechziger und Siebziger und unerbittlicher Kritiker gegenwärtiger Musiktrends. 2007 erschien sein Erstlingswerk "More than 50 Years".